Messing, Neusilber, Gold: In Uhrwerken werden viele unterschiedliche Materialien verbaut, darunter auch das weniger bekannte Silizium. Das Halbmetall hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Material für Uhrenkomponenten entwickelt: Es ist leicht, stabil und reibungsarm. Der Verschleiß wird auf ein Minimum reduziert, sodass auf Schmiermittel völlig verzichtet werden kann. Dennoch ist Silizium noch lange nicht die Krönung der Materialgeschichte: Wissenschaftler arbeiten bereits daran, noch bessere, leichtere und beständigere Materialien zu entwickeln. Was läge da näher, als eines der widerstandsfähigsten – und wertvollsten – Materialien der Erde: Diamant.
Diamant ist der härteste Stoff überhaupt. Sein Name leitet sich von den griechischen Wörtern “diaphainein”=”durchscheinen” und “adámas” = “Der Unbezwingbare” ab. Zunächst reines Faszinosum der Natur, gelang es in den 1950er Jahren erstmals, Diamanten bei hoher Temperatur und mit sehr starkem Druck synthetisch herzustellen. Mittlerweile wurden weitere Verfahren entwickelt künstliche Diamanten zu schaffen, wozu auch die chemische Gasphasenabscheidung (engl. chemical vapour deposition, CVD) gehört, die in den 1980er Jahren entdeckt wurde.
Inhalt des Artikels:
Uhrenbauteile aus Diamant? Die Wissenschaft macht’s möglich!
Diese Technik macht sich die Gesellschaft für Diamantprodukte (GFD) unter Leitung der Ulmer Forscher Peter Gluche und André Flöter zunutze, um kleinste Werkteile aus Diamant präzise in gewünschte Formen zu bringen: 2002 wurde so die erste Dual-Direct-Hemmung aus Diamant für das Uhrenunternehmen Ulysse Nardin hergestellt.* Die Vorteile? Neben seiner Härte ist Diamant auch noch um die 25 Prozent leichter als Titan, das bereits mit einem besonderen Federgewicht aufwartet. Dazu kommen die kaum vorhandenen Reibeverluste: Treffen zwei Diamantflächen aufeinander, liegt die Reibung selbst ohne Schmiermittel nur bei 20 Prozent derjenigen zwischen Stahl und synthetischem Rubin.
Die Vorteile des diamantenen Werkstoffs überzeugten offensichtlich auch Ulysse Nardin. Nach ersten Proben mit dem Testobjekt ging das Uhrenhaus eine langjährige Zusammenarbeit mit der GFD ein: Noch im Jahr 2002 stattete Ulysse Nardin erste Zeitmesser mit den exklusiven Bauteilen aus. Die Serienproduktion ließ und lässt jedoch noch auf sich warten – bei all seinen Vorteilen ist Diamant dennoch ein sehr teurer Werkstoff.
Auch aus diesem Grund war der erste frei verkäufliche Zeitmesser mit Diamantspirale – die Freak Diamond Heart – vermutlich nur auf 100 Stück limitiert; eine Tatsache, die den ohnehin begehrenswerten Zeitmesser noch interessanter macht. Tatsächlich verdient die Uhr den Namen “Freak”, wenn man darunter die kunstvolle Andersartigkeit versteht, die ihn von allen anderen Uhren abhebt. Denn der Zeitmesser mit dem Herzen aus Diamant kehrt sein Innerstes nach außen: Die Mechanik des Uhrwerks zeigt sich unmittelbar auf den Ziffernblatt, sodass die nahezu transparente Unruh-Spirale aus Diamant bei ihrer wichtigen Aufgabe beobachtet werden kann. Statt der üblichen Zeitanzeige mit Zeigern aus der Mitte nutzt Ulysse Nardin die Dual-Direct-Hemmung zweckentfremdet als Zeiger. Wer die Freak Diamond Heart am Handgelenk trägt, kann das Kaliber UN-201 bequem bei der Arbeit betrachten, was den besonderen Reiz der Uhr ausmacht. Natürlich sorgte die Lancierung der besonderen Uhr für Furore. Trotz ihres hohen Preises war sie schon bald darauf ausverkauft.
Diamant – Werkstoff der Superlative
Um die Vorteile des Werkstoffs Diamant zu nutzen und zugleich die Produktionskosten zu senken, haben die Entwickler in der Zwischenzeit natürlich geforscht, was das Zeug hält. Die Lösung war schnell gefunden: Sie nahmen Bauteile aus dem bewährten Silizium und beschichteten es mit einer nano-kristallinen Schicht aus Diamant. Die DCS-Technologie (Diamond Coated Silicon) wurde von der Schweizer Sigatec SA in Sion in Zusammenarbeit mit der Ulmer GFD entwickelt und von Ulysse Nardin erworben. Um beschichteten Bauteilen die positiven Eigenschaften von Diamant zu verleihen, reicht bereits eine Tausendstel Millimeter dünne Schicht aus Diamantkristallen.
Das Ergebnis war erneut eine limitierte Uhrenreihe und zwar die Freak DiamonSil. Sie wurde im April 2007 als weltweit erste Uhr mit diamantbeschichteten Hemmbauteilen eingeführt.
Hinter der gefeierten Methode stecken viele Jahre intensiver Entwicklungsarbeit. Ursprünglich wurde der Trockenätzprozess, der dazu dient Silizium mit Diamant zu beschichten bereits in den 1990er Jahren von Ingenieuren der Robert Bosch GmbH entwickelt und als Deep Reactive Ion Etching (DRIE) benannt. Die Verfahrenstechnik ist jedoch extrem aufwendig, teuer und unterteilt sich in zahlreiche unterschiedliche Produktionsschritte. Voraussetzung sind die lithographische Vorstufe, Ätzanlagen für die Produktion der Siliziumteile und ein Reaktor zur Diamantbeschichtung. Doch was tut man nicht alles für glatte und reibungsarme Oberflächen, die die positiven Eigenschaften des Diamanten teilen?
Bei dem hohen Zeit- und Kostenaufwand wird es jedoch vermutlich noch Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis sich Diamant als Werkstoff in Uhren durchgesetzt hat – wenn es überhaupt jemals der Fall sein wird. Bis dahin freuen wir uns weiterhin an der Schönheit des „girl’s best friend“ – eigentlich ist der begehrenswerte Schmuckstein ohnehin viel zu schade, um in einem Uhrwerk verborgen zu liegen. Bei watch.de gibt es zahlreiche Möglichkeiten, eine Beziehung zu dem härtesten aller Steine einzugehen. In unserem Diamantenkonfigurator können Sie z. B. Ihr Wunschschmuckstück – ob Ring, Anhänger oder Ohrstecker – selbst individuell gestalten. Darüber hinaus bieten wir zahlreiche Uhren mit erlesenem Diamantenbesatz. Schauen Sie einfach einmal rein und überzeugen sich selbst. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
* Die Dual-Direct-Hemmung wurde von Uhrenkonstrukteur Ludwig Oechslin entwickelt und 2001 in einer Uhr von Ulysse Nardin vorgestellt. Es handelt sich um eine Hemmung ohne Anker mit zwei Hemmungsrädern.