Uhrwerke sind in sich geschlossene Ökosysteme, deren Funktion nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten unbeeinflusst bleibt. Tagtäglich werden diese hochkomplexen Gebilde Störeinflüssen ausgesetzt, deren negative Auswirkungen es zu minimieren gilt. Eine der gefährlichsten Störgrößen sind magnetische Einflüsse. Welche Effekte diese genau haben und wie nützlich ein Magnetschutz wirklich ist, haben wir im folgenden Artikel näher analysiert.
Inhalt des Artikels:
- Magnetfelder – unsichtbar und doch sichtbar
- Uhrenhersteller mit dem Spagat zwischen Tradition und Moderne
- Die Zeit zurückgedreht – von Vacheron Constantin bis Omega
- METAS – Zertifizierung – Omegas neues Superzertifikat
Magnetfelder – unsichtbar und doch sichtbar
Magnetfelder sind überall. Das Erdmagnetfeld umgibt den gesamten Planeten und selbst elektronische Kleingeräte wie Rasierer erzeugen Magnetfelder, wenn auch mit verschwindend geringem Radius. Seit jeher versuchen Uhrenhersteller Lösungen zu entwickeln, dem Problem beizukommen, das neben Staub, Feuchtigkeit und Stoßkraft zu den größten Feinden einer jeden mechanischen Uhr zählt. Im Laufe der Jahre haben sich Techniken herauskristallisiert, die einen zufriedenstellenden Schutz bieten und für den Alltag ausreichend sind. Sollte es dennoch zu einem Zwischenfall kommen, kann die Uhr bei einem Uhrmacher wieder entmagnetisiert werden.
Uhrenhersteller mit dem Spagat zwischen Tradition und Moderne
Obgleich es in Deutschland eine Vielzahl an Normen gibt, gilt dies nicht für den Messwert der Widerstandsfähigkeit bei Magnetfeldern. Daraus resultiert, dass Uhrenhersteller unterschiedliche Messgrößen nutzen, um diese anzugeben. So greifen einige auf Ampere pro Meter zurück, wodurch die Stärke eines Magnetfelds beschrieben wird. Rolex und Omega hingegen vertrauen auf Gauß, das heißt, die magnetische Flussdichte. In der modernen Physik findet Gauß kaum noch Anwendung und wurde sogar bereits durch Tesla ersetzt. Dennoch kommt es in der Uhrenwelt nicht zum ersten Mal vor, dass auf traditionelle Normen zurückgegriffen wird, die überholt wurden.
Dreht es sich jedoch um technische Facetten und Neuerungen, kann es den Uhrenschmieden gar nicht innovativ genug sein. So auch bei Schutz vor Magnetismus. Die Gefahr besteht darin, dass Bestandteile des Uhrwerks magnetisiert werden und daraufhin von ihrem Arbeitstakt abweichen und im schlimmsten Falle das gesamte Uhrwerk zum Erliegen kommt. Die meisten Uhrwerke sind gegen solche Einflüsse geschützt, auch dadurch, dass auf ferromagnetische Bestandteile seitens der Hersteller verzichtet wird und Unruhspiralen aus amagnetischen Materialien, beispielsweise Glucydur oder Silizium, verbaut werden.
Uhrwerke, die jedoch regelmäßig starken Magnetfeldern ausgesetzt sind, werden gesondert durch ein Innengehäuse aus Weicheisen geschützt, das um das Uhrwerk angebracht wird.
Die Zeit zurückgedreht – von Vacheron Constantin bis Omega
Bereits vor 100 Jahren fertigte Vacheron Constantin 1915 die erste Uhr mit Magnetschutz. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine Armbanduhr. Diese wurde erst zehn Jahre später von Tissot erfunden. Einen regelrechten Boom erlebten Uhren mit Magnetschutz in der 1950er Jahren. Hersteller begannen vermehrt solche Modelle zu produzieren und konnten infolgedessen Berufsfelder ansprechen, die regelmäßig starken Magnetfeldern ausgesetzt waren, auf das Tragen einer Armbanduhr dennoch nicht verzichten wollten. Die bekanntesten Modelle sind die Railmaster von Omega, die Rolex Milgauss und die IWC Ingenieur. Wie der Name bereits unmissverständlich klarmacht, war letztere hauptsächlich für Ingenieure gedacht, für die auch das Rolex Modell konzipiert war. Die Milgauss ist mit einem ferromagnetischen Innenkäfig ausgestattet, der sie vor magnetischen Störungen schützt. „Die Milgauss ist mit dem Kaliber 3131 ausgestattet, einem vollständig von Rolex entwickelten und hergestellten mechanischen Uhrwerk mit au¬to¬ma¬tisch¬em Selbstaufzugsmechanismus. Es enthält von der Marke patentierte Spitzentechnologien, um eine außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit ge-gen Magnetfelder zu gewährleisten. Wie bei allen Perpetual-Uhrwerken von Rolex handelt es sich bei dem Kaliber 3131 um ein zer¬ti¬fi¬zier¬tes Schweizer Chronometer.“ Omega hingegen pries sein Modell in der Eisenbahnindustrie an, da die dort zum Einsatz kommenden und sehr leistungsstarken Elektrogeräte starke Magnetfelder verursachen.
METAS – Zertifizierung – Omegas neues Superzertifikat
Selbstverständlich sind moderne Modelle in Robustheit und Widerstandskraft den damaligen weit überlegen. 2013 stellte Omega die Seamaster Aqua Terra 15.000 Gauß vor – eine rekordbrechende Uhr. „Die Seamaster Aqua Terra > 15.000 Gauß war die erste Uhr, die durch das revolutionäre OMEGA Co-Axial Kaliber 8508 angetrieben wurde, das Magnetfeldern mit einer Stärke von mehr als 15.000 Gauß standhält und damit jedes bis dahin gebaute Uhrwerk bei Weitem übertrifft. Zudem löst es ein Problem, das die Uhrmacher seit jeher beschäftigt. Der Co-Axial Chronometer besitzt ein 41,5 mm großes Edelstahlgehäuse mit einem dazu passenden Metallarmband oder einem braunen Lederarmband.“ Erstmals war das gesamte Uhrwerk aus amagnetischen Materialen gefertigt worden und trotz des eingesetzten Saphirbodens verlor das Modell nicht an Widerstandskraft. Bei anderen Modellen mit Schutzinnengehäuse und durchsichtigem Boden wäre eine solche Konstanz undenkbar gewesen. Heute verfügen alle Omega-Modelle, die den Beisatz „Master Chronometer“ tragen, über dieses Kaliber.
Doch damit nicht genug. In Zusammenarbeit mit METAS – dem Institut für Metrologie, entwickelte Omega eine neue Zertifizierung, die im Gegensatz zum herkömmlichen, branchenüblichen COSC-Zertifikat nicht nur die Präzision eines Werks auszeichnet, sondern auch deren magnetischer Schutz. Die erste Uhr, die dieses Zertifikat erhielt war die Omega Globemaster. Natürlich muss nicht zwingend eine Globemaster gekauft werden, um über ein zuverlässiges Uhrenmodell zu verfügen. Nahezu alle Modelle verfügen über einen magnetischen Schutz, der im Alltag ausreichend ist. Außerdem darf darauf vertraut werden, dass der Uhrenbranche stets etwas einfallen wird, um dem alten U(h)renfeind etwas entgegen zu setzen.
Generell sind vor Magnetfeld geschützte Uhren kein muss. Nichtsdestotrotz kann man ihnen ihre Vorteile in einer von Technik geprägten Welt nicht absprechen. So eignen sie sich beispielsweise besonders für Ärzte, die aufgrund der häufigen Verwendung von MRTs und Röntgen regelmäßig in Kontakt mit starken Magnetfeldern kommen. Doch auch das Reisen per Flugzeug sowie die Nutzung von U-Bahnen können eine Uhr magnetisieren. Sie sehen also, ein Magnetschutz kann nicht schaden…